Genunea und Eberhard Musculus
Bild: Genunea Musculus

Ich klage die List an.
Sie erschuf uns Menschen, die Tiere und Pflanzen zum Leiden auf Erden.
Genunea Musculus

Der folgende Text über entstand Ende der 1970er- oder Anfang der 1980er- Jahre. Er ist Bestandteil des im Selbstverlag erschienenen Büchleins „Heinz - Gesichter und Gedanken“ und wurde 2010 auch als Online-Buch bei „BookRix“veröffentlicht.

Genunea Musculus


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Genunea Musculus:
Erzählung „Peter und seine Folgen“

(publiziert bei · published by
 „BookRix“)
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Peter und seine Folgen

„Mein ganzes Leben habe ich Dir in Sandalen zu Deinen Füßen gelegt, aber neben meinen Zeichnungen bringe ich Dir auch meinen kleinen Peter in die Ehe mit.“ „Wunderbar“, antwortete ich begeistert, „eigene Kinder wollte ich nie haben, aber an Deinem Peter kann ich jetzt meine verborgenen Muttergefühle richtig auslassen.“ Heinz wurde etwas verlegen. „Nein, mein balkanesisches Küchenwunder, mein Peter ist kein Kind.“ Erschrocken sah ich ihn an. „Mein Peter ist ein Goldhamster.“ „Goldhamster kenne ich nicht. Ist das ein Tier?“ „Eine Art Maus“, erklärte Heinz und begann, von außen die Tasche seines Jacketts zu kitzeln. Zwei dunkle Äuglein öffneten sich und blickten uns an. „Er ist mein guter Freunde. Nachts rumort in meinem Atelier herum, und tagsüber schläft er an meiner Brust. Ich fühle sein Herzchen schlagen, werde davon inspiriert und zeichne mit mehr Lust und Liebe.

Dies bewegte mich so, dass ich mich wie nie zuvor verliebte und Heinz mein Jawort gab.

Es näherte sich der große Feiertag. Die 1.-Mai-„Kampfdemonstration der Arbeiterklasse“ musste erneut ihre Zuverlässigkeit, Dankbarkeit und ihren Enthusiasmus für den „Ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauern-Staat auf deutschem Boden“ mit Schreien und gehobenen Fäusten bekunden.

„Heinz, vergiss morgen nicht, die Fahne mit dem Wappen des Verbandes Bildender Künstler zum Meeting mitzubringen“, erinnerte ihn ein Verbandskollege. Da wir eine geräumige Wohnung hatten, war die große Fahne immer bei uns aufbewahrt. „Gut“, antwortete Heinz, „aber ruf' bitte auch Nuni an, sie ist meine Gedankenstütze. Du weißt, mein Gehirn funktioniert nicht für solchen Kram.“

Groß war unsere Überraschung am nächsten Tag, als wir die Fahne, von Peter völlig zerknabbert, aus der Abstellkammer holten.

Mit drohend erhobenen Fäusten wurde Heinz von seinen Kollegen empfangen. „Ein Reaktionär ist Dein Peter! Wir stehen da wie nackt! Zum ersten Mal in unserer sozialistischen Geschichte müssen wir vor unserem genossen Walter Ulbricht ohne Fahne demonstrieren. Was soll er nur von uns denken - Du blamierst und beschämst den ganzen Verband!“

Geknickt und vom Geschimpfe seiner Kollegen erschöpft, kehrte Heinz gegen Mittag nach Hause zurück. „Welche Blamage. Natürlich müssen wir die Fahn ersetzen, Weil sie handgestickt ist, kostet sie um siebenhundert Mark! Und der Peter muss weg. Verschenke ihn in gute Hände, die nichts mit Politik zu tun haben, damit er nicht wieder solchen Schabernack anstellen kann!“, schrie Heinz erregt.

Aber nur wenige Tage, und Peter fehlte ihm. „Puppi, kaufe mir bitte zwei weiße Mäuse, ich komme mit meiner Arbeit nicht voran, so sehr vermisse ich den Peter. Aber sei vorsichtig: sie müssen das gleiche Geschlecht haben - zwei Männchen oder zwei Weibchen - der Verkäufer kennt sich bestimmt aus. Die Kleinen sind liebeslustig und vermehren sich wie toll.“

Die beiden Atelierbewohner fühlten sich gleich heimisch, denn getreu den freiheitlichen Prinzipien von Heinz und mir liefen auch sie, wie vorher Peter, im großen Arbeitszimmer herum.

Nach ungefähr einer Woche aber fiel Heinz auf, dass ihn nur eine kleine Maus am Morgen begrüßte. Zu seinem Schreck fand er die andere hinter der Tür, mit vier kleinen, neugeborenen Mäusen.

Wie ein Perpetuum mobile ging es so immer weiter, bis achtundzwanzig kleine weiße Mäuse im Atelier herumtollten.

Wir verzweifelten! Besonderen Ärger bekamen wir mit den Redaktionssekretärinnen. Fast täglich besuchten sie Heiz, um Zeichnungen abzuholen. Die kleinen Mäuse ließen sich das Vergnügen nicht nehmen, auf die charmanten Beine und bis unter die Miniröckchen der jungen Damen zu krabbeln, die wie am Spieß schrieen. Heinz, der Kavalier, musste sie retten, und nolens volens manövrierte er mit seinen Händen unter ihren kurzen Röcken herum, um sie von den Eindringlingen zu befreien. Bald weigerten sich die Damen, Zeichnungen abzuholen; die Redakteure schimpften und drohten Heinz, ihm keine Aufträge mehr zu geben.

Wütend ging er zum Mäusehändler. „Ich schenke Ihnen achtundzwanzig weiße Mäuse. Sie haben mich verunglückt! Was für ein Fachmann sind Sie überhaupt?! Sie können ja nicht das Geschlecht von weißen Mäusen unterscheiden!“, brüllte Heinz ihn an. „Bitte um Entschuldigung, Herr Musculus, aber wenn ich so auf die Straße gucke, dann kann ich heutzutage auch die Mädchen nicht von den Jungen unterscheiden.0 - geschweige das Geschlecht der kleinen Mäuse. Ich brauche die Mäuse nicht, aber im Tierpark ist ein Händler, der Futter für seine Schlangen kauft. Für sie sind die Mäuse eine wahre Delikatesse…“.

Empört verließ Heinz den Laden. Wie könnte er…

Ein Zufall half uns weiter. Trude, eine Cousine von Heinz, kam zu uns aus Neustrelitz für ein paar Tage zu Besuch. Sie wollte die neuen „sozialistischen Errungenschaften“ der „Hauptstadt“ erleben. Begeistert sah sie täglich den Mäusen und ihrem Spiel zu. Vor der Abreise bat sie Heinz, ihr zwei von den niedlichen Tieren zu schenken.

Zum ersten Mal in seinem Leben erwies sich Heiz als geschäftstüchtig und raffiniert. „Schau, Trude“, sagte er in überzeugendem Ton, „wenn ich mich von den zwei Tierchen trenne, werde ich immer voller Wehmut an sie denken müssen. Ich gebe sie Dir alle achtundzwanzig mit - aus den Augen, aus dem Sinn - das fällt mir leichter. Werde Du glücklich mit ihnen.“ Trude strahlte vor Freude. Für so großzügig hatte sie Heinz garnicht gehalten. In einen großen Karton bohrten wir viele Luftlöcher, packten alle Mäuse hinein und wünschten ihnen und Trude eine angenehme Heimfahrt.

Auf dem Bauernhof in Neustrelitz fanden die Kleinen ihre neue Heimat - und im Keller neue, graue Artgenossen, die sie freudig aufnahmen. Sie verliebten und vermehrten sich. Die neugeborenen Babies tollten weiß-grau-gestreift herum.

Und wenn sie nicht gestorben sind, lieben sie sich noch heute, auf Trudes Bauernhof in Neustrelitz.

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