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Als Nuni eines Tages in der Mittagsschlange auf ihren Graupeneintopf gewartet und diesen von „Kameradin“ Frieda auch in ihre Schüssel „hineingeplatscht“ bekommen hatte, befahl sie ihr mit diktatorischer Stimme: „Frau Niefer, Sie kommen gleich nach dem Mittag zum Küchendienst. Haben Sie verstanden?“
„Heute vormittag hatte ich schon Klodienst, und so bin ich Nachmittags frei“, antwortete Nuni. „Ob Sie frei sind oder nicht, bestimme ich!“, erwiderte Frieda mit widerlichem Tonfall, während sie drohend ihren Suppenlöffel erhob. Willy verbot Nuni, diese zusätzliche Arbeit zu verrichten, denn das Lagerreglement besagte eindeutig: wer vormittags arbeite, brauche dies nicht nachmittags zu tun – und umgekehrt. Natürlich erfuhr Frieda, dass die beiden Niefers keine Einbürgerungsurkunde ausgehändigt bekommen hatten. Demzufolge konnte sie ihre Schikanen voll und ganz auf die wehrlose Nuni loslassen.
Und Nuni fügte sich. Sie wusste, dass sie nun manches einzustecken haben würde, gleich, von wem – sie als fremder Eindringling in diesem „Reich“. Die Sauberkeit der großen Küche strahlte Nuni an, als sie eintrat. In der Mitte befanden sich die vier Elektrokessel, die einen Umfang von wohl zwei Metern hatten. Hier wurde die Graupensuppe fabriziert. An den Wänden glitzerten die Blechschlüsseln, die in Regalen aufgestapelt waren, und der ganze Boden war mit weißen Steinfliesen ausgelegt. „Kameradin“ Frieda goss einen Eimer Wasser nach den anderen auf den Boden, nahm einen Schrubber und sog das Wasser im Stehen wieder auf. So empfing sie Nuni, als sie sich bei ihr meldete, und warf ihr einen Lappen in die Hand. An der Wand hing ein zweiter Schrubber. Nuni holte sich ihn, wickelte den Lappen um ihn und begann, wie „Kameradin“ Frieda, die Küche aufzuwischen. Plötzlich ertönte Friedas wütende Stimme. „Was tun Sie hier eigentlich?“ Verwundert sah Nuni sie an. „Ich arbeite, genau wie Sie. Ist das etwa nicht richtig?“ „Für Sie nicht. Sie müssen kniend die Küche aufwischen, ohne Schrubber.“ „Kniend – wieso kniend? Da würde mir ja die Suppe wieder herauskommen. Ich habe doch einen vollen Graupenbauch, außerdem wischen Sie den Boden auch im Stehen auf, Kameradin Frieda.“ „Kameradin bin ich nicht für Sie. Wir sind keine Kameraden, und was mir gestattet ist, ist es Ihnen noch lange nicht!“ „Warum?“, fragte Nuni neugierig. „Warum – das werde ich Ihnen erklären!“, fuhr Frieda in ordinärem Ton fort. „Ich bin ein vollwertiger Mensch, ein deutscher Mensch, und Sie, Sie sind nur eine Rumänin!“
Nuni tat so, als ob sie nicht verstand, und manövrierte weiter stehend mit ihrem Schrubber, bis sie plötzlich einen brennenden Schmerz auf ihren Füßen spürte. „Kameradin“ Frieda hatte ihr kochendes Wasser über die Füße geschüttet. Nun musste Nuni vor Schmerz tatsächlich auf die Knie fallen und ein paar Tränen auf den Glanzfußboden vergießen. Sie rannte davon, auf das verschwiegene bewusste Örtchen, um sich auszuweinen, und um den Schmerz mit kaltem Wasser zu lindern. Sie wollte hiermit Willy nicht belasten. Er suchte sie aber unterdessen und wollte sie aus der Küche holen. Nachdem die beiden sich wiedergefunden hatten, bemerkte Willy sofort Nunis feuchte Strümpfe und Schuhe, die rotentstellten Füße und die verweinten Augen. An seiner Hand führte er Nuni ins Büro des Lagerführers, um Verständnis und Gerechtigkeit zu erhalten.
„Ja, Herr Niefer, mir wurde auch berichtet, dass Ihre Frau erst die Schule absolviert hat. wohlhabend war und nie gearbeitet hatte. Hier bei uns ist es anders. Sie muss das Arbeiten erlernen.“ Erstarrt sah Willy ihn an und verlangte nach Fräulein Frieda: Sie gab ihre Tat schamlos zu, bereute nichts, und da stieg das Blut in Willys Gesicht. Er begann zu brüllen und drohte mit einem Beschwerdeschreiben an Himmler. „Bis Sie das Ergebnis erhalten, Herr Niefer, werden Sie strafweise mit Ihrer Frau in den Saal Nr. 63 verlegt. Sie besaßen die Unverschämtheit, sich über eine Reichsdeutsche zu beschweren!“, war die unverfrorene Antwort des Lagerführers.
Weiße Nächte begannen für Nuni und Willy. Der Saal Nr. 63 lag im Parterre. In ihm hausten weit über 60 Seelen aller Altersgruppen; die Schlimmsten unter ihnen waren die Babies, die nachts in corpore zu schreien begannen, und die Alten, die wie die Trompeten husteten. Aber auch hier ging das Leben weiter. Man hoffte und wartete... Und als einige Zeit verstrichen war, ohne dass eine Änderung eintrat, begann von neuem das Warten auf die Hoffnung. Viele Frauen standen nicht mehr stolz und erhaben in der Mittagsschlange, sondern gingen mit ihren Blechdosen und ihren größer werdenden Bäuchen direkt zu Fräulein Frieda und bekamen zusätzlich auch einen Liter Milch.
Der Himmel bescherte Nuni nicht mit dieser „Hoffnung“. So stand sie ihre volle Stunde brav in der Reihe, die sich langsam zum Suppentopf bewegte. Die Hoffnung aber ließ nicht locker. Werdende reinrassige Mütter erhielten auch den Einberufungsschein ihrer Männer, und die Paare wurden getrennt – vielleicht für immer. Nuni hingegen wartete weiter an der Seite ihres lieben Willy und harrte der Graupensuppe.
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