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Eines Tages kündigte Silviu den Kindern seine Kur an. Verjüngungskuren musste er dringend machen und fuhr nach Cîmpulung im Süden der Bukowina, wo ein Sanatorium war. ,Ob dadurch seine außergewöhnlichen Sitzungen noch verlängert würden?‘, dachte Nuni diabolisch.
Bevor Silviu seine Reise antrat, brachte er das Geschwisterpaar in die Pension „Socoliza“, ein großes Haus auf einem hohen Berg nicht weit von Czernowitz entfernt. Herr Mischa Polowsky hatte seine Villa bewusst in dieser Gegend gebaut. Alle Zimmer mit Balkon und Prachtpanorama waren vom Frühling bis in den späten Herbst belegt. Man wohnte auf einem Berg mitten in einem Tannenwald. Ein kleiner Weg führte ins Tal, vorbei an Kühen mit Glöckchen, zu einer Haltestelle der Bimmelbahn, die einmal täglich, gegen zwölf Uhr mittags, mit Post und Lebensmitteln beladen anwackelte.
„Herr Polowsky“, begann Silviu, „hier haben Sie meine Kinder für einen Monat in Ihrer Obhut. Ich bitte, auf sie gut aufzuvpassen, damit ich mir während meiner Kur keine Sorgen machen muss. Nuni schläft gern lange, dies ist aber hier nicht der Zweck der Sache. Bobby ist ein Bücherfanatiker und verbringt den ganzen Tag im Zimmer. Um neun Uhr wecken Sie die beiden bitte und schicken Sie sie zum Spazierengehen in den Wald. Nuni kann in dem kleinen See schwimmen und am Nachmittag Tennis spielen, Bobby auf einer Bank seiner Studienwut nachgehen.“ Silviu verabschiedete sich und blickte voller Vorfreude der Zukunft entgegen – einer Zukunft in gesundheitlicher Verjüngung und vielleicht auch in Form einer jüngeren Dame!
Nuni packte ihre Kleider und ihre Tennisausrüstung aus, natürlich auch Bobbys Garderobe, und begann Pläne zu schmieden. So früh geweckt zu werden, passte ihr natürlich nicht. Darum sperrte sie abends die Tür ab. Wenn Polowsky dann in der Frühe klopfte, konnte sie in Ruhe weiterträumen von ihrem süßen Coca. Der folgende Tag lief plangemäß ab. Alles, was Nuni sich vornahm, geschah. Herr Polowsky zeigte sich aber ungehalten über die Kinder, die erst zum Mittag erschienen. Abends vor dem Schlafengehen wollte Nuni noch schnell die Tür verschließen. Doch der Schlüssel fehlte. Es packte sie die Wut, die sich gegen Herrn Polowsky richtete. Auch standen keine Möbel im Zimmer, die geeignet gewesen wären, die Tür zu verbarrikadieren.
Punkt neun Uhr klopfte es am nächsten Morgen, und im gleichen Moment erschien in seiner weißen Tracht Herr Polowsky. Nuni rieb sich die Augen, um den Schlaf zu wecken, und blickte Polowsky vorwurfsvoll an. Der strahlte siegesbewusst, stand vor ihrem Bett. „Guten Morgen, meine Lieben, bitte raus aus den Federn! Ein wunderschöner Tag erwartet Euch!“ Nuni bedankte sich formell bei ihm und wies ihm höflich die Tür. „Nein, Fräulein Dimitrovici, ich warte hier, bis Sie aufstehen und sich anziehen. Schließlich muss ich dem Wunsch von Ihrem Papa Folge leisten.“ Seine Blicke rutschten unwillkürlich auf ihr Nachthemd und ihr Décolleté. Sie zog die Decke über den Kopf und erklärte. „Herr Polowsky, falls Sie das Zimmer nicht sofort verlassen, bleiben wir beide den ganzen Tag hier. Vor Ihnen werde ich mich nicht anziehen! Das wäre nicht im Sinne meines Vaters! Und den Zimmerschlüssel möchte ich auch haben!
“ Wütend verließ Polowsky das Zimmer. Mischa Polowsky könnte man sicher zu den schönen Männern rechnen. Zweiunddreißig Jahre alt, groß und stattlich, immer mit charmantem Lächeln. Er trug weiße Hosen, dazu weiße Hemden mit aufgekrempelten Ärmeln. Milka, seine Frau, lag schon Monate lang krank in einem Czernowitzer Hospital. Nach dem Frühstück ging Nunica zum See schwimmen, um ihren Appetit für den Mittagstisch noch zu vergrößern. Kaum war sie im Wasser, spürte sie sich auch schon von zwei Armen umklammert. Polowsky tauchte auf und lachte aus ganzem Herzen über seine Tat. Auch im Wald, beim Spazierengehen, war Nuni sich nie seiner sicher. Er erschien plötzlich hinter einem Baum und wollte sie umarmen. Sie lief, so schnell sie konnte, bis er sie doch einholte, um ihr zu gestehen, wie sehr sie ihm gefiel und dass er sich in sie wahnsinnig verliebt hatte. Nunica schenkte seinen Worten keine Glauben. Sie war überzeugt, dass Mischa mit ihr nur ein Abenteuer suchte und ihre Situation hier immer gefährlicher wurde. Coca konnte ihr nicht zur Hilfe kommen, um sie vor diesem „Don Juan“ zu retten, denn er absolvierte gerade irgendwo sein Studienpraktikum.
Bobby verstand solche Affairen mit seinen zwölf Jahren noch nicht. Nuni bat Polowsky, sie in Frieden zu lassen. Sie saß dann den ganzen Tag mit Bobby auf der Wiese und wich nicht von seiner Seite. Bobby las im Schatten, Nuni ließ sich neben ihm von der Sonne bräunen. „Komm schnell weg“, rief sie plötzlich, „schau, Bobby, Polowsky rennt auf uns zu!“ Bobby nahm seine Brille von der Nase und entgegnete ruhig: „Aber Nuni, es ist doch eine weiße Kuh und nicht Polowsky. Setz Dir doch auch Deine Brille auf.“ Aus Eitelkeit tat sie das natürlich nicht – sie trug keine Brille. Schon von Geburt an sehr kurzsichtig und astigmatisch, sah sie mit ihrem linken Auge weit, mit dem rechten nur auf kurze Distanz. Doch sie hatte sich an dieses Gebrechen gewöhnt, es störte sie wenig, es wirkte sich in vielen Situationen sogar günstig aus. So musste sie auf der Straße ihre Lehrerinnen nicht grüßen. Coca erkannte sie von weitem – ohne Brille. Die Anderen interessierten sie nicht, und die Fiaker hörte sie schon von weitem durch ihr Glöckchenklingeln. Nur zum Klavierspielen, für Kinobesuche und verbotene Revuen trug sie ihre Brille.
Polowsky wurde ihr zu einem Alptraum, zumal sie Silviu nicht gleich benachrichtigen konnte. Zehn Kilometer entfernt vom Haus befand sich ein Postamt. Bobby begleitete sie dorthin, von wo aus sie Silviu in der Verjüngungskuranstalt anrief. „Komme bitte sofort, Papa, meine jungfräuliche Unschuld ist von Polowsky bedroht.“ Lapidar erwiderte ihr Vater: „Wenn Du solche Angst um Dich hast, wirst Du gut selbst auf Dich aufpassen können.“ Seine Verjüngungs-Metamorphose wollte er nicht unterbrechen. „Dann telefoniere bitte sofort mit dem Militärlyzeum und schicke mir Octavian und Gheorghe her, damit sie mich behüten.“ Diese Idee nahm Silviu an, und nach zwei Tagen erschienen die beiden Helden.
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