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Als Silviu 1928 zum Generaldirektor seines Betriebes, des griechsch-orthodoxen Religionsfonds’ in Czernowitz, ernannt wurde, arrangierte man zwei Festabende.
Die erste Feier bestand aus einem feinen Abendessen, serviert von zwei mit Frack und weißen Baumwollhandschuhen gekleideten Kellnern. Der Erzbischof, Diplomingenieure und der Bürgermeister waren eingeladen. An diesem Protokollabend langweilte sich Lilly, obwohl sie immer im Mittelpunkt der Gesellschaft stand und mit ihrem Charme und Humor alle Gäste unterhielt. Doch es war der Abend der für sie uninteressanten Figuren.
Für die zweite Feier dachte sich Lilly etwas Besonderes aus. In ihrem kreisrunden Musikschlafzimmer fühlte sie sich besonders wohl. Hier standen zwei schwere Messingbetten, zwei Nachtschränkchen, eine kleine Biedermeier-Garnitur mit zwei gepolsterten gelben Sesseln, einem gelben Canapée und einem runden Tisch, und schließlich ragten links und rechts der Eingangstür zwei Flügel von „Bechstein“ und „Bösendorfer“ ins Zimmer. Eine achtarmige Kristalllampe hellte die „Arena“ auf. Links öffnete sich die Tür zur freundlichen Veranda mit ihren Gartenmöbeln und vielen Pflanzen. Hier konnte Lilly ungestört ihrem musikalischen Talent nachgehen, mit Freunden interessierte Diskussionen führen und viele Stunden in Ruhe schlafen.
Sie ließ nun dieses Zimmer völlig ausräumen. Sogar der runde, gelbe Perserteppich, der sonst das Parkett bedeckte, wurde hinausgetragen. Lilly hatte zwanzig kleine runde Tische bestellt, die nun ringsherum an die Wand gesetzt wurden. Auf jedes dieser Tische kamen ein Telefon und ein buntes Schirmlämpchen, auf dem die jeweilige Rufnummer aufleuchtete. Die Gäste saßen auf gepolsterten Hockern, und in der Mitte des Zimmers war ein Tanzparkett arrangiert. Die Tür, die ins Speisezimmer führte, war von einer dunkelroten Samtdraperie mit goldenen Fransen bedeckt. Über der Tür sah man leuchtende farbige Birnen angebracht, die die Inschrift Lilly-Bar bildeten. Die Installation dieser ausgefallenen Idee dauerte länger als eine Woche. Elektriker und Telefonistinnen mussten engagiert werden. Doch dann konnte man von Tisch zu Tisch anrufen – um den nächsten Tanz bitten oder ungestört flirten. Das Grammophon sorgte für leidenschaftliche Tangos und rhythmische Foxtrotts. Lilly trug ein Pariser Modellkleid, lang, schwarzgeblümt, aus Seide mit einer breiten Schleife als Gürtel und mit einem bestickten weißen Perlkragen. Man machte Späße und tauschte allerhand lustige Erlebnisse aus. Die Mehrzahl der Gäste waren Lillys Musikfreunde und kauzige Hochschulprofessoren. Das kalte Buffet im Speisezimmer bot eine große Auswahlpalette an kulinarischen Raffinessen. Die Feier dauerte bis in den Morgen; niemand kam auf die Idee, nach Hause zu gehen.
Es war nicht üblich, der Gastgeberin Blumen zu bringen. Dafür hinterließen die Gäste beim Abschied Trinkgelder für das Personal, und nach einer Woche stattete man den „Verdauungsbesuch“ ab – wahrscheinlich eine österreichische Gewohnheit. Zwischen elf und zwölf Uhr vormittags fanden sich die Gäste mit einer Blume und ihrer Visitenkarte ein. Im allgemeinen gaben die Gäste ihre Karte dem Stubenmädchen Zenobia, die sie dann auf einem kleinen Silbertablettchen der „Frau Doktor“ überreichte. Nur intime Freunde traten für fünf Minuten ein und bedankten sich persönlich mit einem Handkuss für den schönen Abend.
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