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Rondella, das kleine, gefräßige Dickerle, besuchte wieder einmal ihren Freund Josef Zoref. Josef Zoref besaß im Souterrain des Nachbarhauses ein „Wundergeschäft“; man fand bei ihm fast alle Dinge, die man damals benötigte. Vier Stufen führten in seinen Laden hinunter. Die Treppe war aus morschem, knarrendem Holz. Beim Aufsetzen des Fußes versank man förmlich einige Zentimeter.
Diverse Gerüche und Aromen, die aus dem Laden strömten, führten zur leichten Benebelung der Kunden, regten aber auch ihren Appetit und ihre Kauffreudigkeit an. Verschiedene Arten von feinster Schokolade lagen zerkleinert auf Tellern und Zeitungspapier. „Türkischer Honig“ war mit Stanniolpapier umhüllt. Neben ihm befand sich ein braunes, offenes Holzfass mit eingelegtem Sauerkraut. Auf einem sogenannten Ladentisch fand man Brot, Mohnkipferl, Honigpousserl, Aufschnitt und Käse; in den Regalen hielten sich Oliven und Olivenöl, Bonbons, Zucker, Mehl, Reis und Schweineschmalz auf. Aus der Tiefe des Ladenraumes schlich der Geruch eingelegter Gewürzgurken, kombiniert mit dem der süßlichen Vanillestangen. An verschiedenen Schnüren hingen von der Decke Salamis, Zwiebeln, Knoblauch und Totenkränze, Räucherheringe, Kerzen und Strohblumen.
Zwischen all diesen Lebensmitteldekorationen erblickte man unzählige, mit dem Tod kämpfende Fliegen. Sie hatten sich an den klebrigen Fliegenpapieren verfangen, die wie Girlanden um die Salamis und um die Räucherheringe schwangen. Ein weißes Tischchen bot Gummibänder, Puder, Nadeln, Vaseline und Stoffreste an.
Josef Zoref, der König seines Reiches, war stets zufrieden und entgegenkommend. Sein rundes Gesicht strahlte heller als seine saubere rosa Glatze, und natürlich fehlte ihm auch der Franz-Joseph-Schnurrbart nicht. Alle Lebensvmittel, ob Reis, Schinken, Schweineschmalz oder andere, packte er in Zeitungspapier ein, das in einem hohen Stapel auf einem Holzschemel lag. Josef Zoref war Jude und verstand, mit allen Kunden diplomatisch und fachgemäß umzugehen.
Seine liebste Kundin war Rondella. Sie musste nie bezahlen. Auf kleinen, diformen Papierresten notierte er täglich, was Rondella konsumierte. Ende des Monats wurde die Rechnung von Familie Dimitrovici beglichen. Und wenn Zoref sich einmal zu seinen Gunsten geirrt hätte, wäre dies für beide Parteien kein Beinbruch gewesen.
So stieg das kleine Dickerl sehr oft zu ihrem Freund hinab – doch nicht etwa, weil ihr Nahrung oder feine Schokolade zuhause fehlten, nein! – die Zoref-Atmosphäre, Zoref mit seinen fettverschmierten, meist nach Petroleum riechenden Händen, die aufgestellten Mausefallen, die auf dem Fußboden in den vier Ecken lauerten – alles versetzte Rondella in eine andere, schönere Welt.
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