Genunea und Eberhard Musculus
Bild: Genunea Musculus

über Menschen und Tiere werde ich
Euch erzählen, die mir als
Persönlichkeiten begegnet sind...
Genunea Musculus

Episode aus dem Roman „Genunea. Czerno­witz liegt nicht nur in der Buko­wina“

Hozu

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Hozu, rumänisch, „Dieb“, der braun-weiß melierte Hund, sah von Weitem aus wie ein Schäfer­hund, war aber keiner, sondern eine Promenaden­mischung. Dieser Czerno­witzer Hund, ein Produkt der „multi­kulturellen Gesell­schaft“ in der Buko­wina, war psychisch, physisch und intellektuell origineller als andere

Hunde. Ein großes braunes Auge und ein kleines rotes guckten ver­schmitzt aus seinem schäferhundähnlichen Gesicht. Sein dicker, buschiger Schwanz wedelte energisch in alle Rich­tungen. Er wohnte in einer großen Hunde­bude, die mit Stroh, Federn und Wolle gut aus­ge­polstert war. Eine lange Hunde­kette lag sym­bo­lisch auf dem Boden, wurde aber von der Familie Dimi­trovici nie benutzt. Ein freiheit­liches Hunde­leben!

So lief er im Hof herum, sprang über den Zaun in den großen, wilden Garten­park und vergnügte sich. Oft be­gegnete Rondella ihm und seiner Diana, einer Jagd­hündin, vor­mittags im Dominik-Park, der vom Haus der Familie weit entfernt lag. Er flirtete, Rondella schwänzte die Schule, und beide schämten sich ihrer illegalen Taten.

Eines Tages ver­irrte sich ein Trut­hahn­baby in den Hof des Hauses. Er wurde von Hozu und von der übrigen Familie freund­lichst auf­genommen und „Poussi“ genannt.

Das lange, weiße Haus hatte zwei Eingänge - den Vorder­eingang für Gäste, „bessere Leute“, und den Hofeingang für das Personal und verschiedene Händler.

Montags, gegen neun Uhr, erschien stets ein ukrai­ni­sches Bauern­paar aus einem be­nach­bar­ten Dorf, um beste Butter, saure Sahne, Quark und Eier anzu­bieten. Sie benutzten einen Pferde­wagen, und darauf standen viele Körbe mit den frischen Waren. Gekleidet waren sie in lange, weiße Baumwoll­hosen und -hemden, an Kragen und Ärmeln mit schwarzem Garn bestickt. In einem breiten Ledergürtel hielten sie die Geld­beutel versteckt. Sie trugen selbst­gefertigte Leder-Opanken. Auch die Mäntel aus dicker gewebter Wolle, mit breiten Raglanärmeln, waren mit dem schwarzen Garn umrandet; die weiße Kapuze bedeckte den Kopf.

Hozu konnte solche Trachten nicht ausstehen. Er war nur an die Menschen und Gäste im Haus gewöhnt, die durch den Haupt­eingang kamen und „deutsch“ gekleidet waren. (Der Begriff „deutsche Kleidung“ war in der k.u.k. Monarchie geprägt worden und stand für die europäische Normal­kleidung - dunkle Hose, Hemd, Sakko, Hut.)

Wenn nun das ukrai­ni­sche Bauern­paar oder andere Besucher in National­tracht die Messing­klinke des gelben Eingangs­tores herunter­drückten, hörte Poussi das als erster. Er nahm seine „Kampf­position“ ein, indem er die Flügel aus­breitete und seinen Perlen­hals hell­rot erglühen ließ und lief, in seiner Sprache murrend, dem Ein­dring­ling entgegen. Auch Hozu ärgerte sich beim Anblick dieser „unerwünschten“ Gäste und folgte Poussi sogleich. Doch er mimte einen senilen, alten. kranken Hund. Er bellte nicht, hinkte plötzlich mit dem rechten Hinter­bein und kniff sein großes Auge zu. Die Bauern bekamen Mitleid mit dem „armen, kranken“ Tier und zeigten natürlich keine Angst vor ihm. Gemütlich betraten sie die Verandatreppe.

Oben an­ge­langt, sprang Hozu sie plötzlich von hinten an, biss sie in Hose und Beine, und mit einem Salto „entschwebte“ der „Lahme“ nach voll­brachtem Werk über den Zaun in den wilden Garten. Vater Silviu musste natürlich für die zer­fetzten Hosen auf­kommen. List und Perfidie brachten Hozu immer wieder den er­warteten Erfolg und Silviu ein Minus in der Tasche. Später ver­kauften die Bauern ihre Waren nur noch am Seiten­eingang.

„Hitzel“ war die Bezeichnung in der Bukowina für das, was man „Hunde­fänger“ nennt. Anders als heute führten die Hunde ein richtiges Hunde­leben ohne Familien­stammbaum, Marke, Hundesteuer und Hunde­friedhof, aber mit freier Liebe und echten Knochen, manch­mal sogar mit Bauern­waden.

Es liefen genug herren­lose Hunde herum, so dass die „Hitzel“ immer vollauf beschäftigt waren. Hozu fla­nierte täglich auf den Straßen. Öfters ver­suchten die „Hitzel“, ihn zu er­wischen - jedoch ohne Erfolg. Die Natur, oder der Hunde­gott, hatte ihn mit einem ganz speziellen Körper­bau bedacht: sein Kopf war schmaler als sein Hals! So rutschte die Hunde­fänger­schlinge über seine Ohren ganz leicht wieder ab. Hozu konnte sich immer befreien, machte einen Salto und landete un­versehrt in seinem Impe­rium.

Klug geworden, meinten die „Hitzel“ dann nur noch resig­niert: „Mit dem da, mit diesem Köter, können wir nichts machen, er hat zum Kuckuck so einen Hals, dass unsere Schlin­ge nicht ver­fängt!“ So war sein Leben zu seiner und der Fami­lie Freude gesichert.

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