Genunea und Eberhard Musculus
Bild: Genunea Musculus

über Menschen und Tiere werde ich
Euch erzählen, die mir als
Persönlichkeiten begegnet sind...
Genunea Musculus

Episode aus dem Roman „Genunea. Czerno­witz liegt nicht nur in der Buko­wina“

Die „Heilige Communion“

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Die „Heilige Kommunion“ wurde an einem Sonn­tag auf nüch­ternem Magen in der Kirche erteilt. Diese Kirche befand sich in der Metro­polie, der Resi­denz der Erz­bischöfe – ein archi­tek­tonisch besonders inte­res­san­tes Bauwerk im byzan­tini­schen Stil aus hell­roten Ziegeln mit vielen Türmchen und kleinen Kuppeln. In den Neben­gebäuden war die Theo­logi­sche Fakul­tät mit ihren Studenten unter­gebracht. Der Residenzpark im aus­ge­dehn­ten Innen­bereich des Gebäudekomplexes war weit über die Gren­zen Rumä­niens hinaus bekannt. In ihm lagen mehrere Seen mit Lotus­blumen, weißen Schwänen und gevpfleg­ten, schat­tigen Alleen, und parfumierter Blütenduft ergötzte die aus­gewählten Besucher, die nur mit be­sonde­rer Er­laub­nis in das Ge­bäude und den Park durften.

Hier nun, vor dem Portal der kleinen Kirche, standen die Kinder in Sonntags­kleidern, und um punkt acht Uhr morgens erklangen die Glocken. Die Pfor­te wurde geöffnet, und auf einem roten, weichen Tep­pich schli­chen die „Lämmchen“ hinein bis zum Altar. Der Chor füllte mit seinen Engels­stimmen die Kirche aus. Der Pfarrer im Fest­gewand mit roter Mütze hielt in beiden Händen einen silbernen Pokal mit „Heilands Blut“, das „für uns und unsere Sünden ge­flossen“ sein sollte. Ein weiterer Pfarrer hielt ein Körbchen – ein Körbchen mit „Jesus' Leib“. Die Kinder traten lang­sam, eines nach dem ande­ren, heran und muss­ten sich drei­mal bekreu­zigen, bevor er ihnen in Form eines vier­eckigen Stückchens Brot ein „Stück aus Jesus' Leib“ in den Mund einführte. Der „Pokal­pfarrer“ stand schon mit einem kleinen Teelöffel bereit, um den Kinder auch „das Blut Jesu“ einzuflößen – Blut in Form von Rotwein! Rondella beob­achtete das myst­ische Schau­spiel und war über die Hygiene­regeln kon­ster­niert. Das Stückchen Brot ließ sie sich von Pfarrers Hand noch in ihren Mund einführen. Als sie aber vor dem Wein­pokal stand, weigerte sie sich, diesen anzu­nehmen und forderte vom Pfarrer kate­gorisch: „Das Blut von Jesus trinke ich nur, wenn Sie, Herr Pfarrer, ein sauberes Löfferl für mich bringen. Ich ekle mich, nach allen Schul­kolle­ginnen den un­ge­waschenen Löffel in den Mund zu stecken.“

Vor Schreck ver­schüt­tete der Pfarrer beinahe das „Blut“ aus dem silber­nen Pokal. Rondella blieb stand­haft, bekam aber auch keinen sauberen Löffel und ging nur mit „Jesus' Leib“ nach Hause. Und das, obwohl sie der Inhalt des Pokals schon gereizt hätte. Mit einem Satz hätte sie „sein ganzes Blut“ aus­ge­schlürft – „sein ganzes Blut“...! Sofort wurde das Haus Dimi­tro­vici über diese „Schande“ telefonisch be­nach­richtigt, man empfing Rondella kühl und über­ließ alles Weitere ihrer Oma.

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