Unsere zivilisierte Welt
ist nur eine große
Maskerade.
(Arthur Schopenhauer)

Ein Text aus dem Jahr 2000

Das alte Spiel

Die Menschen haben sich versammelt und sind wieder einmal voll gespannter Erwartung - obwohl sie wissen, was nun gespielt wird. Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf die Bühne und auf die Marionetten, die längst mit ihrem Spiel begonnen haben. Mit ihren Beinen, Armen und Köpfen hängen sie an deutlich sichtbaren, dicken Stahlseilen und spielen in allerlei Variationen das immer gleiche Stück. Das Stück heißt „Demokratie“ und es erzählt in zahllosen Variationen von der Jagd nach Privilegien und eigenem Vorteil, von der Schmähung anderer und dem üblichen Lug und Trug. Einer redet, einige reden zwischendrein, und der Rest hört nicht etwa zu, sondern spielt seine eigenen kleinen Theaterstückchen. Und zwischendurch schließt sich der Vorhang immer wieder einmal und öffnet sich. Und das Spiel geht weiter und weiter. Fröhlich schaukeln die Stahlseile ein wenig, als eine der Marionetten mit ausholenden Bewegungen die Freiheit des Einzelnen und die Freiheit überhaupt hochleben lässt...

Eine andere Puppe tritt ans Rednerpult und lobt die Qualitäten des neuen Gärtners, ein Ziegenbock, der keine Bezahlung verlange und auch sonst recht anspruchslos sei...

Fäulnisgeruch breitet sich aus. Im Marionettentheater hört man wohlgewählte Worte von „Sauberkeit“ und „Gemeinsinn“, „Stabilität“ und „Wachstum“. Genau in diesem Moment stürzt das ganze Puppentheater fast lautlos in sich zusammen und hüllt die kaum überraschten Zuhörer in eine undurchsichtige, übelriechende Staubwolke.