Genunea und Eberhard Musculus
Arthur Schopenhauer

Schönheit: Ein offener
Empfehlungsbrief, der die Herzen im voraus gewinnt.
(Arthur Schopenhauer)

Ein Text von 1999

Damals und heute

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Lieben, nicht lieben, begehrt werden, nicht begehrt werden, vergessen, nicht vergessen... das alte Spiel... und alles fließt, alles ändert sich, wechselt ständig Antlitz und Konturen. Manche Geschichte hat einen klaren Anfang und einen ungewisses Ende...

In solcherlei Gedanken vertieft, betritt ein junger Mann, nennen wir ihn Carl, am frühen Nachmittag sein Stammcafé. Carl unterrichtet an der Kunstakademie ganz in der Nähe und schreibt in seiner Freizeit Erzählungen, gern mit historischen Anspielungen, Bezügen, Verweisen und Querverweisen. Eine gute Tasse Mocca hilft ihm, seine Gedanken zu entwickeln...

So früh am Nachmittag ist es noch ganz leer im Café, die Gespräche gedämpft, das Personal freundlich, der Lieblingstisch an der Wand frei, man erstickt nicht an verqualmter Luft, und noch lenkt kein Geschwätz vom Nachbartisch ab...

1888...

Eine junge Dame betritt das Café. Ihr Kleid in schönen Pastellfarben fängt Carls Blicke und Gedanken für einen kurzen Moment ein. Ihr feines Gesicht ist durch langes, gewelltes Haar aufs Schönste eingerahmt. Sie schaut sich kurz um, nimmt ihn wahr, lächelt etwas verlegen und grüßt ihn mit einem freundlichen Blick, während sie sich einen Tisch aussucht.

‘Schön schaut sie aus, wirklich schön, soll sie sich nur getrost in meine Nähe setzen.’, denkt er noch, als sich auch schon mit anmutigen Bewegungen an einen schönen Fenstertisch setzt, nicht allzu weit von ihm entfernt, den Kellner herbeiwinkt und sich Kaffee und Kuchen bestellt. ‘Ob sie wohl noch zu haben ist? Sie ist wirklich hübsch und scheint ein guter, intelligenter Mensch zu sein. Welche Interessen sie wohl hat? An der Akademie habe ich sie nicht gesehen; vielleicht arbeitet sie in einem der vielen Bureaus hier in der Nähe.’, denkt sich Carl und kann sich kaum von ihr abwenden.

Sie aber blickt wie gebannt aus dem Fenster und scheint auf jemanden zu warten, und richtig, ein junger Herr kommt herein, setzt sich zu ihr, und beide gehören sichtbar glücklich zusammen...

1999...

Eine junge Frau betritt das Café. Ihre zerschlissene, blauverwaschene Viehzüchterhose, neudeutsch „Jeans„ genannt, klebt an zwei spindeldürren Beinen, über dem Hemd undefinierbarer Farbe ein schwarzgraues Sakko. Männlich auch ihr Kurzhaarschnitt, der ihr hageres, etwas knochiges Gesicht noch schmaler wirken lässt.

‘Ach herrjeh!’, geht es Carl durch den Kopf, ‘soll sie mir nur ja fernbleiben! Immer ist es dasselbe - sie kommen herein, setzen sich an den Nebentisch, und kaum sitzen sie, fingern sie sich auch schon ihre Stinkstengel aus ihren Taschen und verpesten die ganze Luft mit diesem elenden Zigarettengestank! Grauslig!’ Die Frau schaut sich kurz um, nimmt ihn wahr, blickt im Café umher, und - richtig! - sie setzt sich doch tatsächlich an einen Tisch gleich neben seinem! ‘Zum Teufel!’ denke er noch und hört schon das Zischen ihres Feuerzeugs. ‘Zum Teufel mit diesem Mistweib!’ In seinem Ärger nimmt er gerade noch wahr, dass sie den Kellner herbeiruft und sich ein Stück Yoghurttorte bestellt.

‘Gesund ist wohl gesund - vor allem, wenn man dabei raucht... Nur schnell weg hier!’, denkt sich Carl, stürzt seinen schon lauwarmen Mocca hinunter, bezahlt eilig und trollt sich.

Sie aber blickt ihm aus dem Fenster nach, ohne je auch nur das Geringste verstanden zu haben und je verstehen zu werden...


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