Genunea und Eberhard Musculus
Bild: Genunea Musculus

über Menschen und Tiere werde ich
Euch erzählen, die mir als
Persönlichkeiten begegnet sind...
Genunea Musculus

Episode aus dem Roman „Genunea. Czerno­witz liegt nicht nur in der Buko­wina“

Bekehrung und Trauung

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„Wieso, Nunica“, meinte plötzlich Tante Luise, „ihr seid nur am Standes­amt getraut worden, nicht kirchlich? Hat Eure Ehe nicht Gottes Segen?“ „Dazu hatten wir keine Zeit, es war alles so kompli­ziert und ging so schnell vor sich, dass wir daran überhaupt nicht denken konnten“, meinte Nuni schüchtern. „Außerdem ist da noch ein Haken: Willy ist katholisch und ich bin griechisch-orthodox“, fügte sie hinzu, da sie Tante Luise nicht von ihrer fehlenden religiösen Überzeugung berichten wollte. „Oh, mein Gott, wie Du mich ehrst“, schrie die auserwählte „Tante“ begeistert. „Wir werden Deine Trau­zeugen sein! Hier bei uns in Patsch­kau in der roten katholischen Kirche wird Eure Trau­ung stattfinden, und in diesem Speise­zimmer die Tafel gedeckt sein.“ „Gut“, flüsterte Nuni, und sah in Gedanken die erwartete große Surrogat­creme­torte vor sich, die bei einer solchen Feier ja wohl nicht fehlen dürfe. Ein Sieg mehr für die vernaschte „Melange-Nuni“. Dann lief sie in ihr Zimmer zu ihrem Willy, um ihm diese freudige Nachricht mitzuteilen. „So ein Blödsinn“, meinte er, „dieses Theater hat uns gerade noch gefehlt!“ „Schau, Willy, sie ist so gut zu uns, Du musst sie verstehen. Durch dieses Theater wird ein Mensch glücklicher. Ist das nicht viel? Und ich als Braut darf sicher mehr Torte verzehren als die üblichen Gäste.“ Wie gewöhnlich, so musste Willy auch dieses Mal seiner Nunica zustimmen. Täglich ging Tante Luise am Morgen in die Kirche, um kniend am Altar vor der Mutter Gottes mit gesenktem Haupt ihr Gebet zu erheben. Nachdem sie ihrem Pfarrer von Nunica und Willy berichtet hatte, musste sich auch die zukünftige Braut bei ihm vorstellen.

Sie suchte ihn nachmittags auf, da ihr das frühe Aufstehen immer­noch Schwierig­keiten bereitete. Das Pfarrhaus befand sich im Kirchhof im Schatten der großen Kirche. Eine Wirtschafterin, die nur mühsam ihren Kopf hob, weil er durch ihren Buckel fast am Boden lag, bat sie hinein. Nuni erschrak förmlich bei diesem monströsen und doch mitleids­erregenden Anblick. Sie ging schnellen Schrittes ins Empfangszimmer, sah sich noch einmal um – und setzte sich aufatmend auf das Canapée, als sie bemerkte, dass der gekrümmte Schatten verschwand. So wartete sie auf den Herrn Pfarrer und auf alles Eventu­elle, was damit noch auf sie zukommen würde – und es kam auf sie zu!

Kein weißer Bart, keine langen Flatter­gewänder, wie sie es sich vorgestellt hatte – vor ihr stand ein junger, gutrasierter Mann in einem schwarzen Anzug und hielt Nuni die Hände entgegen. „Frau Ulrich hat mir von Ihnen schon vieles Schöne berichtet, und ich habe mich mit ihren Problemen eingehend befasst. Bevor Sie katholisch getraut werden, müssen Sie den katholischen Glauben annehmen“, sprach er voller Würde. „Gut“, antwortete Nuni, „was muss ich nun tun, um katholisch zu werden?“ Für das Wohl ihrer lieben „Tante Luise“ würde Nuni so manches auf sich nehmen; Freude und Güte ihren Mit­menschen zu bereiten, darin bestand ihre Religion, egal, ob orthodox oder katholisch. „Ich werde Ihnen unseren katholischen Glauben vermitteln. Das wird ungefähr drei Monate dauern“, meinte der Pfarrer.

„Wenn Sie zweimal wöchentlich je zwei Stunden hierher ins Pfarrhaus kommen und auch fleißig sind, schaffen wir das mit Gottes Hilfe bestimmt. Bringen Sie mir zum nächsten Mal bitte auch noch Ihren Taufschein mit“, fügte der Herr Pfarrer hinzu. „Meinen Taufschein habe ich nicht. Er liegt in Czerno­witz und seine Beschaffung ist ganz unmöglich, weil die Stadt von den Russen besetzt ist“, erwiderte Nunica. „Nun ja, dann wird die Angelegenheit noch komplizierter. Es liegt für mich doch kein Beweis vor, dass Sie überhaupt getauft sind, und in solch einem Falle darf Ihre Katholisierung und Trau­ung nicht stattfinden.“

,Arme Tante Luise!‘, dachte Nuni. Wie gerne hätte sie ihr dieses Glück doch zukommen lassen. „Beruhigen Sie sich, mein Kind“, setzte der Pater hinzu, als er Nunis traurigen Gesichtsausdruck bemerkte. „Ich werde Sie taufen mit dem Vermerk, dass diese Taufe von Gott nur dann ange­nommen werden soll, wenn Sie bis heute noch nicht getauft worden sind.“

„Auch das noch!“, lachte Nuni, und ihre Er­inne­rungen flogen zurück zur Taufe ihres Bruders Bobby. „Herr Pfarrer, ich bin mit allem ein­verstanden, doch möchte ich Sie höflichst ersuchen, das Taufwasser im Kessel, in den Sie mich ja dreimal ein­tauchen werden, doch nicht so kalt zu lassen. Ich bin nicht abgehärtet wie unser Heiland, da ich mir beim Kartoffeln-schälen im Lager einen Blasen­katarrh geholt habe. Dass ich mich wieder einmal nackt ausziehen muss, daran habe ich mich hier schon gewöhnt – diesmal vor einem anderen Publikum“, lächelte Nuni. „Aber nein! Bei uns Katholiken vollzieht sich die Taufe anders als bei den Orthodoxen. Von Ent­kleiden ist überhaupt nicht die Rede. Ich werde meine Hand in das gesegnete Tauf­wasser tauchen und Ihnen dreimal die Stirn benetzen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ „Das ist alles?“, fragte Nuni erstaunt. Wie gerne hätte sie doch auch hier eine Kirchen-Striptease-Show abgelegt! In seinem Büro studierte der Pfarrer seinen Termin­kalender, erwähnte noch einmal die Monate, die er für Nunis Bekehrung zum Katholi­zismus brauchen würde, und meinte schließ­lich stolz: „Drei Feiern werden unserer Kirche im Monat März an zwei Sonntagen zuteil.“ „Wieso an zwei Sonn­tagen?“, entgegnete Nuni, „Taufe, Übertritt zum Katholi­zismus und Trau­ung müssten doch an drei Sonn­tagen stattfinden“, und wieder erschienen ihr wie eine Fata Mor­gana die drei Torten, die Tante Luise für die drei besonderen Er­eignisse so liebevoll backen würde. „Die Taufe“, meinte der Pater, „und Ihren Übergang zur katholischen Kirche feiern wir am ersten Sonntag, Ihre Trau­ung am zweiten.“ Nuni konnte ein langes „Schade“ nicht unterdrücken. So verab­schiedete sie sich von ihrem zukünftigen „Vater“.

Als Nuni ihrem Willy diese Neuig­keiten be­richt­ete, war dieser ungehalten. „Drei Monate lang Religionsunterricht?? Dass ich nicht lache! Das würde unserem Herrn Pfarrer so passen!“

„Wie meinst Du das? Ich verstehe Dich nicht – ist etwas Un­anständi­ges dabei?“, fragte Nuni ihn neugierig. „Es ist Dir doch bekannt, dass die katholischen Pfarrer im Zölibat leben und nicht verheiratet sind, wie die orthodoxen oder evan­geli­schen. So frage ich Dich: Scheint er Dir so asketisch? Eine so junge, hübsche Frau wie Du, die zweimal in der Woche allein ist – wäre Dir das, menschlich gedacht, nicht zu gefährlich? Die meisten katholischen Pfarrer in Rumänien halten sich eine Wirt­schafterin, die ihnen so manche ‚väterlichen‘ Wünsche erfüllen. Wie Du mir aber erzählt hast, schaut seine Haushälterin wie ein Gespenst aus.“ Willy wurde lauter und lauter.

„Ja, daran habe ich gar nicht gedacht“, meinte Nunica. „Du bist ja noch ein Kind“, fügte Willy hinzu. Schüchtern und verlegen trug Nuni Willys Befürchtungen ihrer guten Tante Luise vor und bat sie um ihren Rat. Die Arme war entsetzt, sie versicherte Nuni schließ­lich, dass so etwas in Deutschland nie passiert ist und nie passieren könnte. Nuni war ratlos. Tante Luise wollte doch ihre Pläne nicht rückgängig machen. Was sollte sie ihrem Herrn Pfarrer erzählen? Zusammen mit Willy suchte man die Lösung des Problems. Familie Ulrich könnte es nicht verkraften, mit einem nicht kirchlich getrauten Ehepaar unter einem Dach zu leben.

Plötzlich kam Willy die Idee! „Wir beide, Nuni und ich, werden gemeinsam zum Pater gehen und ihm erklären, dass ich gern am Unterricht teilnehmen würde, da ich über die vielen Studienjahre so manches von meinem katholischen Glauben vergessen habe und ihn auf diese Weise auffrischen möchte. Du verstehst hoffentlich meine Ängste. Ob Rumänien oder Deutschland – die Erotik unter­wirft sich keinen kirchlichen Dogmen. Davon bin ich fest überzeugt. Und ich bin ge­spannt, was unser Herr Pfarrer zu meinem religiösen Inte­resse sagen wird.“ Dieser Vorvschlag imponierte auch Tante Luise.

Es war nicht gerade Freude, was man beim Herrn Pfarrer erkennen konnte, als er das Ehe­paar begrüßte. Um sein Erstaunen zu mildern, brachte Willy gleich seine Erklärung an, und dann begann der Unterricht. „Die Unter­schiede zwischen Ihrer Religion, Frau Niefer, und der katho­li­schen sind eigent­lich gering. Unter­schiede gibt es nur in drei Punkten. Somit wird die Dauer der Umschulung für Sie beide wesentlich verkürzt. Ich denke, dass wir den Stoff in vier Stunden bewältigt haben“, sprach der Pfarrer. Nuni sah ihn verblüfft an und konnte ihr Lachen kaum unterdrücken. Willy warf ihr einen triumvphie­ren­den Blick zu. Der Herr Pfarrer aber teilte ihnen mit, dass die beiden Feiern noch im gleichen Monat stattfinden könnten.

„Einen Profit habe ich aber doch aus der ganzen Geschichte“, meinte Nuni schmun­zelnd, „ich werde mich an den beiden Torten schon im Januar laben und nicht erst im März.“

Vor Freude umarmte sie Willy, als sie sich vom Pfarr­haus entfernten. Zu beiden Festen wurden von Tante Luise Ver­wandte aus Liegnitz und Breslau eingeladen. Am ersten Sonn­tag fand nach dem Gottes­dienst Nunis „Heiliges Sakra­ment“ der Taufe statt, dann der Übertritt. So gelang es dem vervlorenen orthodoxen Schaf, in die katho­li­sche Kirche und in den Schoß des Papstes aufgenommen zu werden. Am zweiten Sonn­tag erhielt Nuni als Geschenk zu ihrer unauflöslichen Ehe von Familie Ulrich einen rotvbraun email­lierten Küchen­topf, mit dem sie viele Koch­jahre ihres Lebens glücklich ver­bunden blieb.

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