Genunea und Eberhard Musculus
Bild: Genunea Musculus

über Menschen und Tiere werde ich
Euch erzählen, die mir als
Persönlichkeiten begegnet sind...
Genunea Musculus

Episode aus dem Roman „Genunea. Czerno­witz liegt nicht nur in der Buko­wina“

Stefanies Tod

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Der Herbst des Jahres 1928 brach sehr früh an, und so er­war­tete man auch einen strengen Winter. Oma Stefanie fühlte sich gesund­heitlich immer schlech­ter. Die Czer­no­witzer Ärzte, die in Wien studiert hatten und alle sehr aner­kannt waren, stellten bei Oma eine Leber­zir­rhose fest. Damit begnügte man sich aber nicht und ließ einen Leber­spezia­li­sten aus Wien kommen. Seine Diagnose war aber dieselbe. Schmerzen litt Stefanie gott­seidank nicht, doch sie wurde täglich schwächer und apathi­scher. Rondella wich nicht von ihrem Kranken­bett; sie nahm die Tra­gödie wahr, ihre Lebens­tragödie. Oma war ihre einzige Freundin, ihr konnte sie alles sagen, sie nach allem fragen, mit ihr auch am besten spielen, Oma beschützte und verwöhnte sie.

Am 28. November 1929 blieb Rondella allein mit ihren Tränen, allein mit ihrem Kummer. Sie hatte natür­lich ihr Brüder­chen, aber er war noch zu klein; sie musste ihn vor dem Bösen im Leben be­schützen – wer aber würde sie davor be­wahren – nur ihre Engel­chen? Das Herren­zimmer wurde aus­geräumt, die Bücherwände und die Fenster mit schwarzen Stoff­vorhängen bedeckt. Den Parkett­boden legte man mit einem schwarzen Tep­pich aus. Mitten im Zimmer stand auf einem Podest der Sarg, von sechs Kerzen­leuchtern umgeben, von ver­streuten Chry­san­themen und Blumen­kränzen umrandet. Rondella durfte ihre auf­ge­bahrte Groß­mutter nicht mehr sehen. Drei Tage und drei Nächte lang stand der Sarg offen und hielt man Wache. Der Tote durfte nicht eine Minute lang allein­gelassen werden. Lilly wurde von Silviu abgelöst, Teta von Mariuca. Am Tage vor der Be­erdi­gung standen auch Schul­kollegen, Lehrer und Direk­toren, Wache.

Am dritten Tag fand die Be­erdi­gung statt. Rondella durfte sich nun, als der Sarg bereits geschlossen und mit Blumen bedeckt war, von ihrer Oma ver­ab­schieden.Vier Männer in schwarzen Trauer­gewändern und mit schwarvzen Napoleon­hüten trugen dann den Sarg aus dem Haus zum Toten­wagen, der mit vier Pferden bespannt war. Diese Pferde waren am Kopf mit schwarzen Federn geschmückt und mit je einem schwarzen Rücken­mantel be­kleidet, deren Fransen bis zu ihren Knien herunter­reichte. Vor­sichtig setzten die Träger den Sarg in den Wagen, einem großen recht­eckigen Kasten mit Glas­scheiben. Der Trauer­zug setzte sich in Bewegung. Eine Musik­kapelle vor den vier mas­kier­ten Pferden ließ den tra­di­tio­nellen Trauer­marsch ertönen. Sechs Pfarrer, die Familie und die Gäste gingen hinter dem Wagen her. Rondella durfte ihn bis zur Schule be­gleiten, wo man in memo­riam einige Worte über das Leben und Schaffen ihrer Großmutter sprach. Dann wurde Rondella nach Hause gebracht, denn die Kleine hätte sich zu leicht im eis­kalten Novem­ber­wind erkälten können. Die Familien­gruft lag immer­hin ein­einhalb Geh­stunden vom Hause entfernt. Dort wurde Oma nun bei­gesetzt.

Nun schmieg­te sich Rondella noch enger an das Haus­personal an. Teta war immer gut zu ihr, und Mariuca sah Rondella wie ihre rich­tige Tochter an. Doch selten kommt ein Unglück allein. Mariuca heira­tete und zog zu ihrem Mann. Hilde, die neue Köchin, zeigte bei weitem nicht solches Inte­resse für die Kleine wie Mariuca. So suchte Rondella weiter nach einem seeli­schen Halt. Sie fand ihn schließ­lich bei ihrer Klassen­lehrerin, Frau Elena Popescu, und ging freudig in die Schule, um sich in ihrer Nähe aufhalten zu können. Weih­nach­ten und Sil­vester wurden im Trauer­jahr nicht so pom­pös wie ge­wöhn­lich ge­feiert.

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