Unsere zivilisierte Welt
ist nur eine große
Maskerade.
(Arthur Schopenhauer)

Wege

Wahrheit, launisches Flittchen,
stolziert von einem Verehrer zum nächsten...

Ein Mönch verließ die hochgelegene Einsamkeit seines Klosters und machte sich auf ins Tal. Zunächst kam er recht gut voran, obwohl der Pfad kaum erkennbar und sehr beschwerlich war. Je tiefer er aber hinabstieg, desto breiter und bequemer wurde der Weg. Erst einzelne, dann immer mehr Menschen schlossen sich ihm an mit allen Hoffnungen auf Rat und Heilung. Manche bildeten Grüppchen und debattierten miteinander, andere setzten sich abseits nieder und aßen Mitgebrachtes; die meisten aber standen einfach nur herum. Schließlich behinderten sich alle gegenseitig und kamen nicht mehr voran... Was aus den Menschen geworden ist, weiß niemand. Und was aus dem Mönch geworden ist, weiß auch niemand.

Wahrheit, Schmetterling, flattert von einer Lüge zur nächsten, unsicher vielleicht, aber immer verspielt...

Auf einem Schiff begegneten sich zwei Kinder. Am Hafen angekommen, waren sie schon ineinander verliebt. Gemeinsam betraten sie das Land und stiegen die große Treppe Stufe um Stufe hinauf. Wenige Meter höher hielten sie bereits ihre eigenen Kinder an den Händen, nach einigen weiteren Stufen waren die Kinder bereits keine mehr und verließen den gemeinsamen Weg. Die beiden wurden müde und langsam. Ihre Hände waren faltig geworden, hielten sich aber in bleibender Liebe fest. Sie blickten ein letztes Mal zurück - und alles war vollendet. Ewiges Leben und Sterben verschmelzen auf dieser großen Treppe mit dem Abendlicht.

Wahrheit, schweigender Regenbogen, lockt unnahbar in allen Farben und weicht dann zurück, bildet den weiten, ewigen Kreis ... und verblasst.